Ein Bekenntnis von Tristan Jorde

 

glass 1587258 1280Ich trinke gerne Milch. Und fühlte mich dabei wie ein Umweltschwein.

Also, nicht früh in meiner Kindheit, da gab es sogar noch Gratismilch in den Schulen und es wurde bedeutsam verkündet, dass Milch groß und stark macht.

Aber dann …

Irgendeinmal haben das Flatulieren der Kühe und ihre Leib- und Magenwinde Eingang in die große Klimadebatte gefunden, das Diktum ward gesprochen, die Kuh exhaliert Methan und das ist schlecht und darum sei jeder, der Milch trinke oder gar Rindfleisch isst ein potenzielles Umweltschwein.

Apokalyptische Klimaretter postulieren sogar die millionenfache Notschlachtung von Kühen, die als möglich Rettung vor dem allgemeinen Kollaps behauptet wird.

Nun ist es gewiss sinnvoll, die Nutztierzucht auf einer ökologisch verträglichen, an die Futterflächen angepassten Haltung auszurichten.

Auch ist sinnvoll, den Genuss tierischer Produkte klein zu halten und der (regionalen, biologisch gezogenen) pflanzlichen Nahrung den Vorzug zu geben.

Dabei bleibt aber noch immer das Problem mit dem Methan und den flatulierenden Kühen.

Also – was tun?

In meinem Umfeld gibt es reihenweise Expertinnen und Experten, die sich mit Lebensmitteln, deren Produktion und deren Wert für die menschliche Ernährung befassen.

Ich fragte also nach.

Und da stellte sich heraus, dass die Behauptung von der Methan-exhalierenden Kuh so gut wie keine Datenbasis hat. Im Gegenteil, Jahr für Jahr wurde von Publikation zu Publikation einfach abgeschrieben, dass Kühe und das Methanproblem unausweichlich miteinander verbunden sind

(Nur der lieben Ordnung halber sei angemerkt, dass wir in Deutschland gerade mit Spaß und Freude gigantische Überkapazitäten an LNG Terminals und Verteilung aufbauen, deren Methan-Ausstoß – nun sagen wir es möglichst höflich – auch nicht zu vernachlässigen ist. Aber da hörte ich noch nichts vom notwendigen massenhaften Schließen der LNG Infrastruktur….)

Wir landeten bei unseren Recherchen schließlich bei einer reichlich bizarren Versuchsanordnung, in der eine Laborkuh in einer Klimakammer mit Kraftfutter versorgt wurde, woraus diese ersten Messwerte für Methan resultierten, die dann brav in der Scientific Community von mal zu mal weitergereicht wurden. Das war noch tief im 20. Jahrhundert. Die FAO hat dann diese Geschichte noch einmal großflächig publik gemacht. Das war 2006.

 

Kein Ton über die Art der Tierhaltung. Kein Ton über das geeignete und weniger geeignete Futter (je mehr Leistung, desto mehr Kraftfutter, desto mehr Methan…). Nur ein „Die Kuh ist schuld…“

Engagierte Tierhalter und Wissenschaftler haben dann auf eine sehr tierverträgliche, landschaftsgestaltende und ökologische Weidewirtschaft in halboffener Graslandschaft hingewiesen und mithilfe einer Uni auch den Nachweis dafür erbracht, was einem der Menschenverstand schon so einflüstert:

cow 3342847 1280Tierhaltung in flächenverträglicher Stückzahl, mit möglichst wenig Kraftfutter auf einer halboffenen Wald-Graslandweide liefert exzellente Ergebnisse mit minimalem Methan Ausstoß.

Im Gegensatz zu den eher sturen Vertretern der intensiven Tierhaltung, die tatsächlich vorzurechnen glaubten, je mehr das Tier in Richtung Ertrag gequält wird, desto besser die „Klima“-Bilanz. Das hat natürlich mit Ökologie so gut wie gar nichts zu tun.

Also statt millionenfacher Notschlachtung eine Rückführung auf ein modernes Weidesystem mit Futter aus der Graslandschaft.

Und dann dürfen wir auch wieder Milch trinken und wer mag auch Rindfleisch essen.

Fast ohne schlechtes Gewissen.

Wenn wir dann noch – wie physiologisch sinnvoll – unseren tierischen Konsum insgesamt reduzieren, lebt die Kuh wieder mit uns und wird nicht zum skurrilen Sündenbock umgedeutet.

Ökologie ist immer, wenn ich das Gesamtsystem betrachte, nicht nur einen „Mode-(Schad-)-Stoff.
Ich trinke noch immer Milch. Wähle sorgfältig die Produzenten aus und freue mich über ihre erfrischende Wirkung gerade auch an einem sonnigen Tag.

 

Buchtipp: Florian Schwinn, Die Klimakuh, Westend Verlag, 2024