- Geschrieben von: Andreas Albig
- Kategorie: Umwelt
Bedrohte Artenvielfalt
Artensterben ein globales Problem
Der aktuelle Bericht des Weltbiodiversitätsrats belegt, dass die Erde am Anfang eines großen Artensterbens steht. Nach Meinung vieler Experten ist die heutige Situation mit dem Massenaussterben vor 65 Millionen Jahren vergleichbar, dass auch zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat. Das gegenwärtig in der Presse diskutierte Insektensterben in Mitteleuropa ist nur eine Facette dieses globalen Problems.
Als Gründe für das globale Artensterben lassen sich u. a. der Verlust an Lebensräumen, die Veränderungen in der Landnutzung, Jagd und Wilderei, Klimawandel und Umweltgifte nennen. So vielfältig die Gründe des Artensterbens auch sein mögen, sie haben eins gemeinsam: Sie werden von uns Menschen verursacht.
Dabei sind die Artenvielfalt und die Leistung von Ökosystemen wie Nahrung, sauberes Wasser und Medizin für die Menschheit überlebenswichtig.
Derzeit sind etwa 1 Millionen Arten auf der Erde vom Aussterben bedroht. Etwa 500.000 Arten werden als „Dead species walking“ bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Arten, deren Lebensräume so stark geschrumpft oder ihre Bestände so klein geworden sind, dass sie langfristig nicht überleben werden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das Sumatranashorn, wovon noch etwa 80 wildlebende Individuen und 6 Zootiere existieren. Für zahlreiche andere Arten ist ein ähnliches Schicksal vorhersehbar. Viele Arten die bereits ausgestorben sind oder demnächst aussterben werden, sind noch nicht einmal von Wissenschaftlern entdeckt und beschrieben worden.
Von der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft
In Mitteleuropa kam es spätestens seit der Jungsteinzeit mit der Ausbreitung Ackerbau und Viehzucht betreibender Kulturen zu gravierenden Veränderungen in der Landnutzung. Der vorherrschende Wald wurde durch Weidetiere immer stärker aufgelichtet. Ende des 18. Jh. waren Wälder bis auf wenige Reste verschwunden. Danach erfolgte eine systematische Aufforstung insbesondere auf ertragsschwachen Standorten in Deutschland. Die so entstandenen Forste machen den größten Teil der bei uns vorkommenden Wälder aus und sind oft Monokulturen weniger Baumarten. Aus naturschutzfachlicher Sicht sind aber die wenigen sogenannten historischen Waldstandorte, die nach der Eiszeit fast durchgehend mit Wald bestockt waren, schützenswerter, da viele empfindliche Waldarten nur hier überlebt haben.
Eine weitere gravierende Änderung im Unterelberaum erfolgte mit der Urbarmachung der Elbmarschen seit dem 12. Jh.. Das einst von Röhrichten und Auwäldern sowie zahllosen Wasserläufen geprägte Alte Land wurde ab 1130 planmäßig eingedeicht und entwässert.
Die letzten landschaftsprägenden weitestgehend noch unberührten Lebensräume in unserer Region waren die Moore, die ab dem 18. Jh. planmäßig urbar gemacht wurden. Einst waren riesige Moorflächen in Niedersachsen so nass, dass keine Bäume dort wachsen konnten. Die mehrere Meter mächtigen Torfschichten speichern auch heute noch große Mengen an Kohlenstoff. Durch Entwässerung und Bodenbearbeitung aber auch durch den noch stattfindenden Torfabbau schrumpfen diese für unser Klima wichtigen Kohlenstoffspeicher auch heute noch.
Durch die Nutzung der Natur in Deutschland waren bereits bis zum 18 Jh. Wildpferd, Auerochse, Wisent, Waldrapp und Gänsegeier in freier Natur ausgestorben, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die industrielle Landwirtschaft
Die vom Menschen geformte Kulturlandschaft zeichnete sich bis ins 20. Jh. trotz des Verlustes der großen „Naturlandschaften“ durch eine große Vielfalt an Arten und Lebensräumen aus.
Mit der Industrialisierung der Land- und Forstwirtschaft ist diese aber in zunehmendem Maße bedroht.
Um die Landschaft an die Bedürfnisse der heutigen modernen Landnutzungsformen anzupassen, werden seit den 50er Jahren sogenannte Flurbereinigungsverfahren durchgeführt, bei denen der Grundbesitz neu geordnet wird. Kleine Parzellen wurden zu großen Schlägen zusammengelegt und Straßen gebaut, um die Nutzflächen für die modernen Großmaschinen zu erschließen. Viele Kleinstrukturen wie Wegränder und Hecken gingen verloren. Seit den 80er Jahren rückten bei den Flurbereinigungsverfahren zwar immer mehr die naturschutzfachliche Aspekte in den Vordergrund, aber die alte strukturreiche Kulturlandschaft war bereits weitgehend verschwunden.
Zudem wird immer mehr Fläche für Siedlungen, Industrie und Straßenverkehr überbaut, was zu einer weiteren Verinselung und Zerschneidung artenreicher Lebensräume führt.
Dem entsprechend nahm die Zahl der gefährdeten Arten immer mehr zu. Aktuell gilt knapp die Hälfte der Arten in Deutschland als ausgestorben oder mehr oder weniger stark gefährdet.
Aktuelle Probleme
Neben den offensichtlichen Veränderungen in der Landschaft, die durch den oben beschriebenen Verlust an artenreichen Lebensräumen gekennzeichnet ist, gibt es zahlreiche weitere negative Einflüsse wie z. B. Nährstoff-, Schadstoff- und Lichtimmissionen sowie eine immer intensivere Bearbeitung von Flächen.
Unter den Nährstoffen ist vor Allem der Stickstoff (N) zu nennen. Mit dem 1910 patentierten Haber-Bosch-Verfahren war es möglich Luftstickstoff als Ammoniak zu binden und für die Landwirtschaft als Stickstoffdünger zur Verfügung zu stellen. Wurden 1900 nur etwa 3 kg N pro Jahr und ha in Deutschland ausgebracht, waren es 1950 schon etwa 25 kg und im Jahr 1980 knapp 130 kg. Aufgrund der negativen Folgen der Stickstoffdüngung u. a. für Grundwasser und Oberflächengewässer wurde die Düngung reglementiert. Seit dem sind die ausgebrachten Stickstoffmengen leicht rückläufig, betrugen im Jahr 2000 aber immer noch mehr als 100 kg pro Jahr und ha.
Einerseits ermöglichte die industrielle Stickstoff Herstellung das rasante Anwachsen der Weltbevölkerung im letzten Jahrhundert, andererseits ist sie ein wichtiger Grund für den Artenschwund. Im Grünland ausgebracht steigert Stickstoff das Wachstum weniger Futtergräser, andere Arten nehmen jedoch stark ab. Artenreiche Wiesen und Weiden finden wir heute deshalb fast ausschließlich in den Mittelgebirgen und den Alpen auf Flächen, die sich auf Grund der schlechten Zugänglichkeit einer intensiven Nutzung entziehen.
Neben dem zur Düngung ausgebrachten Stickstoff gibt es auch Einträge aus der Atmosphäre, die ihren Ursprung vor Allem in der Verbrennung fossiler Energieträger und der Tierhaltung haben. Im Stader Raum betragen diese Einträge etwa 18 kg N pro Jahr und ha. Für viele Lebensräume ist das langfristig zu viel. Im Grünland schwindet die Artenvielfalt bei Stickstoffeinträgen von 20 bis 30 kg pro ha und Jahr. Wälder und Heiden vertragen nur 10 bis 20 kg und die besonders bedrohten Hochmoore verändern sich bereits bei 5 bis 10 kg irreversibel.
Eine weitere wesentliche Ursache für den Artenrückgang ist der Einsatz von Pestiziden in Land- und Forstwirtschaft sowie im Siedlungsbereich. Pestizide wirken i. d. R. nicht nur auf die Zielarten. Die Neonikotinoide, die in neuerer Zeit eine weite Verbreitung als Beizmittel haben, werden laut dem Bundesministerium für Umweltschutz nur zu 5 % bis 20 % von Kulturpflanzen aufgenommen. Der Rest kann im Boden und der Umgebung auch nicht schädliche Insektenarten gefährden.
Breitbandherbizide wie Glyphosat vernichten mit der Ackerwildkrautvegetation zugleich die Nahrungsgrundlage für viele Insekten, so dass eine blühende Ackerbegleitflora nur noch selten zu finden ist.
Neben der Zerstörung von Lebensräumen sowie dem übermäßigen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden gibt es viele weitere Faktoren die bei uns die Artenvielfalt schrumpfen lassen.
Während bis vor etwa 50 Jahren die Vernichtung der Natur in weitest gehender Unkenntnis der ökologischen Konsequenzen geschah, sind die Auswirkungen menschlichen Handelns heute nicht nur für Wissenschaftler unverkennbar. Umso mehr liegt die Verantwortung bei unserer Generation die Lebensgrundlagen auf der Erde zu erhalten und zu nachhaltigen Nutzungsformen überzugehen.
Volksbegehren Artenvielfalt jetzt
von Andreas Albig
Immer mehr Menschen erkennen, dass trotz der Kenntnis über den Verlust an Artenvielfalt, politische Handlungen nur sehr zögerlich und in einem zu geringen Umfang abgeleitet werden. Aus diesem Grund unterstützt in Niedersachsen ein breites Bündnis aus Umwelt- und Naturschutzverbänden, Vereinen, Parteien sowie weitere Organisationen das Volksbegehren Artenvielfalt. Das Volksbegehren gibt jedem niedersächsischen wahlberechtigten Bürger die Möglichkeit selber an der Verbesserung der Gesetze zum Schutz der Artenvielfalt mitzuwirken.
Zu den Forderungen gehören unter anderem:
• mehr Vielfalt in Form von mehr Hecken, Blühflächen, Grasstreifen am Wegrand, Feldgehölze und andere wertvolle Biotope In der Landschaft
• Weniger Pestizide - mehr Ökolandbau
• Erhalt artenreicher Wiesen und Weiden
• Mehr naturnaher Wald
Um diese Ziele zu erreichen sieht das Volksbegehren Artenvielfalt Änderungen im Niedersächsischen Naturschutzrecht, im Niedersächsischen Wassergesetz und im Niedersächsischen Waldgesetz vor. Natürlich können nur solche Regelungen geändert werden, für die das Land die Gesetzgebungskompetenz hat. Die genauen Inhalte der Gesetzesänderungen sowie weitere Informationen zum Volksbegehren sind auf der Internetseite
https://www.artenvielfalt-niedersachsen.jetzt abrufbar.
In der ersten Phase des Volksbegehren, die am 13. November endet, müssen 25.000 Unterschriften gesammelt werden. Dieses Ziel wurde mit mehr als 45.000 Unterschriften bereits im August erreicht. In einer 2 Phase von 6 Monaten müssen dann insgesamt 610.000 Unterschriften zusammen kommen. Wenn genügend Unterschriften vorliegen, stimmt der Landtag darüber ab, ob er das Gesetz annimmt. Nimmt er es an, tritt das Gesetz in Kraft. Nimmt er es nicht an folgt ein Volksentscheid: Dann entscheiden alle Wahlberechtigten in Niedersachsen in einer direkten Volksabstimmung über das neue Gesetz.
Wichtig beim Unterschriftensammeln: Pro Unterschriftenbogen sollten nur Menschen unterschreiben, die aus derselben Gemeinde/Samtgemeinde/Stadt kommen. Das jeweils zuständige Einwohnermeldeamt prüft dann, ob alle Unterschreibenden in Niedersachsen wahlberechtigt sind. Unterschriften von Wahlberechtigten aus anderen Kommunen können nicht geprüft werden und sind daher verloren.