Schon bei der vor Jahren ersten öffentlichen Vorstellung des Vorhabens im Königsmarcksaal des Stader Rathauses wurde den interessierten Zuhörern vom Vorhabenträger die Geschichte vom Bau eines LNG Terminal erzählt, das perspektivisch statt mit verflüssigtem Erdgas auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden könne – also schon „H2-ready“ gebaut werde. Mithin eine Anlage, die letztlich einen CO2–freien Betrieb zum Ziel habe und damit dem Schutz des Klimas diene. Diese Geschichte wurde im STADER TAGEBLATT in vielen Artikeln immer wieder begeistert erzählt.

Weil Wasserstoff aber ganz andere bauliche Voraussetzungen erfordert als verflüssigtes Erdgas, müssten diese bereits jetzt schon mit der Errichtung des LNG Terminals erfüllt werden. Denn wissenschaftliche Studien (u.a. der TU Harburg im Auftrag von RWE) haben gezeigt, dass eine bauliche Anpassung nach Fertigstellung des Terminals einem Abriss und Neubau gleichkommt und damit die Wirtschaftlichkeit eines mit Wasserstoff betriebenen Terminals unmöglich machen würde. Schon jetzt müsste HEH also erhebliche Mehrkosten für die Errichtung aufbringen, um den Betrieb des Terminals später auf Wasserstoff umstellen zu können. Genau das passiert aber tatsächlich nicht. Denn einerseits ist nicht vorhersehbar, wie die weltwirtschaftlichen Bedingungen für Wasserstoff nach 2043 aussehen werden und andererseits ist irgendwann auch dem Investor HEH klar geworden, dass die notwendigen Mengen an grünem Wasserstoff nicht in Deutschland produziert werden können und deshalb importiert werden müssen. Aber schon der Schiffstransport von Wasserstoff ist technisch hoch problematisch und würde die Kosten geradezu explodieren lassen. Ein wirtschaftlicher Betrieb des Terminals würde schon deshalb unmöglich. Deshalb hat HEH eine spätere Umstellung auf Wasserstoff auch gar nicht erst beantragt. Entgegen der Darstellung im Artikel des STADER TAGEBLATTS vom 22. April 2024 hat das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg die spätere Umstellung auf Wasserstoff auch nicht zur Bedingung seiner Genehmigung vom 01.11.2023 gemacht sondern hat den Betrieb des Terminals mit einer Lagermenge von 250.000 Tonnen verflüssigtem Erdgas befristet bis zum 31.12.2043 genehmigt. Von einer schon jetzt notwendigen Bereitschaft des Terminals für eine spätere Umstellung auf Wasserstoff ist in der Genehmigung keine Rede. Das Einzige, was im Genehmigungsbescheid enthalten ist, ist ein Hinweis für einen evtl. späteren Antrag, den Betrieb des Terminals über den 31.12.2043 hinaus mit Wasserstoff oder Wasserstoffderivaten (z.B. Ammoniak) zu genehmigen. Da fragt man sich, warum schreibt das STADER TAGEBLATT diese Geschichte, die nicht wahr ist? Ist es nur fehlerhafte Recherche oder steckt mehr dahinter? Will man vielleicht öffentlich gute Stimmung für das Vorhaben erzeugen und das ökologische Gewissen beruhigen?

Mittlerweile konnten wir schon wieder eine neue Geschichte von HEH im STADER TAGEBLATT lesen: Nach 2043 soll Ammoniak durch erneuerbare Energien in Afrika in großem Stil erzeugt und dann mit Schiffen deutlich einfacher als Wasserstoff nach Deutschland transportiert werden. Aber auch hierfür wären bauliche Anpassungen nötig, weil flüssiges Ammoniak eine höhere Dichte als LNG aufweist. Das führt zu höheren Belastungen an den Strukturen und Fundamenten des LNG-Terminals. Komponenten wie Speichertank, Pipelinesystem, Kyropumpen usw. müssten entweder getauscht oder modifiziert werden.Wenn aus dem Ammoniak wieder Wasserstoff gewonnen werden soll, ginge das nur mit einer Wärmezufuhr von 850 – 950 Grad und Druck von 50 – 100 bar und mit Hilfe eines Nickelkatalysators. Hierfür prognostiziert die Internationale Energieagentur (IRENA) eine Energieverlustrate von bis zu 34 %! Ob dieses sog.„cracking“ wirtschaftlich ist, steht in den Sternen. Wahrscheinlicher dürfte es sein, dass Ammoniak direkt z.B. in Kraftwerken und Schiffsmotoren als Brennstoffersatz eingesetzt wird. Aber auch das ist problematisch, weil Ammoniak einerseits hoch giftig ist und im Brennstoffeinsatz einen Anstieg der Lachgas-Emissionen verursachen kann. Ein großskaliger Einsatz im Energie- und Schifffahrtssektor findet bisher nirgendwo auf der Welt statt. Deshalb fehlen entsprechende Erfahrungen und Daten und notwendige Regelwerke. Die gängige Verwendung von Ammoniak für die Düngemittelproduktion ist demgegenüber nicht vergleichbar. Darüber hinaus würde der Import großer Mengen von Ammoniak die heimische Herstellung von Ammoniak (insbesondere im Werk von SKW Piesteritz in Wittenberg) überflüssig machen und die Wertschöpfung ins Ausland verlagern (vgl. zum Ganzen: Umweltbundesamt, „Kurzeinschätzung von Ammoniak als Energieträger und Transportmedium für Wasserstoff“ vom 28.Februar 2022).

windmill 1317817 1280Leider müssen wir davon ausgehen, dass auf Grund der bisherigen Veröffentlichungen zu den bereits abgeschlossenen LNG-Lieferverträgen, in dem Stader LNG-Terminal jedenfalls bis Ende 2043 flüssiges Erdgas gelagert und regasifiziert wird, das vornehmlich durch das in Deutschland verbotene Fracking gewonnen wird. Das führt aber in den Herkunftsländern zu hohen Natur- und Umwelt- und Gesundheitsschäden. Man darf gespannt sein, wie HEH seine Verpflichtungen aus dem neuen deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) erfüllen will. Dem hält Manfred Schubert als Berater der HEH vergeblich entgegen, das Lieferkettengesetz sei auf HEH nicht anwendbar, weil HEH nicht über die dort vorausgesetzte Zahl von 3000 ArbeitnehmerInnen verfüge. DOW-Deutschland ist an dem LNG-Vorhaben beteiligt, so dass HEH als Verbundunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3 LKSG gilt, innerhalb dessen alle im Inland beschäftigten Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehörigen Gesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl zu berücksichtigen sind.

Ob die Umstellung des Terminals auf Wasserstoff oder Ammoniak jemals realisiert wird, muss vor dem Hintergrund des hierfür notwendigen erheblichen technischen und finanziellen Aufwandes bezweifelt werden. Durch die jetzt erteilte Genehmigung wird das jedenfalls nicht gewährleistet.
Darüber hinaus zeigt eine neue Studie: LNG ist klimaschädlicher als bisher bekannt und mit Steinkohle vergleichbar. Die neue Studie aus 2023 des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg – ifeu – stellt fest, dass LNG u.a. wegen der Methanleckagen viel klimaschädlicher ist als bisher angenommen wurde.

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten wirtschaftlichen und technischen Probleme eines alternativen Betriebs mit Wasserstoff oder Ammoniak und der für die Investoren notwendigen Amortisation der Investition von mehr als einer Milliarde Euro für das LNG-Terminal muss vielmehr befürchtet werden, dass der Betrieb mit Frackinggas auch über 2043 hinaus gesetzlich ermöglicht werden und auch stattfinden wird – zu Lasten des Klimas, der Natur und der Umwelt sowie der nachfolgenden Generationen.