Wenn Politik zur Realsatire wird

ein Kommentar von Gunnar von Spreckelsen

 

AKW Stade 3Das Atomkraftwerk Stade soll bis zum Jahr 2026 zurückgebaut werden, die Arbeiten sind längst unterwegs, die Kosten betragen jetzt schon eine Milliarde Euro.
Nun plädieren einige Politiker für eine Rückkehr zur Atomkraft. Sie fordern Wiedereröffnung der stillgelegten Meiler und sogar Neubauten. Könnte das auch Stade treffen? Sind wir schon ganz in der Realsatire gelandet?

Auf der einen Seite plädieren Politiker wie Markus Söder (CSU) für die erneute Inbetriebnahme von Reaktoren, während Wissenschaftler dieses Kapitel endgültig für abgeschlossen sehen. Was treibt Politiker wie Söder dazu, solche unrealistischen Versprechen zu machen?

Astrophysiker wie Harald Lesch betiteln eine Wiederinbetriebnahme oder Neubau von Standard-Reaktoren als Unsinn. Söder dagegen kritisiert die Atompolitik der Bundesregierung und möchte im Falle einer Regierungsbeteiligung nicht nur alte AKW wieder in Gang setzen, sondern auch ausbauen: „Wir werden, sollten wir die Verantwortung ab 2025 tragen, einen völlig anderen Weg gehen und nicht nur ein paar alte Kernkraftwerke reaktivieren.“

Damit ist aber nicht eindeutig, was die Zukunft von Stade angeht. Wenn das Gelände ab 2026 für einen Neubau zur Verfügung steht und die Energiebetreiber hier investieren wollen, wäre auch ein Neubau denkbar. Dafür ist relevant, wie gut der Standort geeignet ist. Also befinden wir uns dann abermals im Sog der Lobbyisten und dem Druck auf die Menschen, die dort leben.
Zur Einordnung schauen wir uns die Einschätzung des niederländischen „Ministerie van Economische Zaken en Klimaat“ an:
https://www.wirtschaft.nrw/system/files/media/document/file/anlage-2-attachment-j-de-intention-and-proposal-for-public-participation-.pdf

AKW Stade 3„Die Niederlande wollen bis 2050 klimaneutral sein. Als Zwischenziel strebt die niederländische Regierung die CO2-neutrale Stromerzeugung bis 2035 an. Kernenergie kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten. Daher hat die niederländische Regierung beschlossen, sich für die Vorbereitung von zwei neuen Kernkraftwerken einzusetzen.“

Nicht-geeignete Standorte existieren in Holland praktisch dafür nicht:

„Wenn alle Sicherheitsanforderungen erfüllt sind und der Raumordnungsplan dies zulässt, können überall in den Niederlanden Kernkraftwerke gebaut werden. In den Niederlanden wurden jedoch einige Gebiete für den Bau großer Kernkraftwerke (mit einer Leistung von mindestens 500 MW) ausgewiesen, die als am besten geeignet gelten.“ Da die AKWs angeblich absolut sicher sind und keine Strahlung nach außen gelangen kann, ist es aus Sicht der Pläne auch in Ordnung, wenn in einem geringen Radius maximal 5000 Menschen leben können: „In der Umgebung dieser Standorte dürfen in den Raumordnungsplänen keine neuen gefährdeten Objekte (wie Krankenhäuser oder Schulen) oder Wohnungen für mehr als 5.000 Einwohner in einem Umkreis von einem Kilometer genehmigt werden.“

Die Niederlande ebnen also den Weg zurück zur Atomkraft. Darauf werden sich die Atombefürworter auch hier berufen. Die Auswahl-Kriterien für Stade und alle relevanten Standorte in Deutschland sind Sicherheitsanforderungen, Regeln der Raumordnung, Geologische Gegebenheiten, Bedingungen zur Infrastruktur und Naturschutz.

Wichtig ist zunächst die Infrastruktur, wie das Atomkraftwerk in das Stromnetz angeschlossen werden kann. In Stade stehen Übertragungsleitungen bereits zur Verfügung, wahrscheinlich ist der finanzielle Aufwand zum Ausbau der Leitungen oder Umspannwerken nicht hoch. Schienenanbindung und Straßennetz zum Transport von Brennelementen sind ebenfalls vorhanden. Die Frage der Kühlung stellt sich mit der Elbe generell nicht. Sicherlich würden Umweltverbände aber wegen der Erwärmung des Wassers mit möglichen Folgen aktiv werden.

Die Auswirkungen auf die Umwelt, die Nähe zu Naturschutzgebieten oder die Empfindlichkeit von Ökosystem sind die weiteren relevanten Punkte. In der Region von Jork existiert leider kein ausgewiesenes Naturschutzgebiet. Ein Kriterium zur Auswahl ist dabei das Risiko von Hochwassern, wobei dann entsprechende Gutachten klären müssten, wie Hochwasser-Schutz gewährleistet werden kann. Und als direkter Abnehmer dürfte vor allem das Industrieunternehmen DOW Interesse am Bau bekunden - möglicherweise mit einer Beteiligungs-Finanzierung?

Auch sollte ein AKW in keiner „Kulturlandschaft Hollerkolonie Altes Land“ gebaut werden. Seit März 2021 läuft die Bewerbung des Alten Landes zum Welterbe der UNESCO. Klar ist auf jeden Fall: Wenn in Stade ein neues AKW gebaut werden sollte, ist bereits jetzt die Opposition der lokalen Umweltverbände zu erwarten.

Was bringt die Zukunft, wohl kein neues Atomkraft? Aber besser ist es, wachsam zu bleiben. Alles ist möglich, wenn Politiker Investorengeld wittern.