Es ist mühsam, im Dschungel der Publikationen etwas zu finden, das man als wahr bezeichnen möchte. Absolute Wahrheiten gibt es nicht.

 

Auch die Wissenschaft kann uns nur eine Momentaufnahme des Zustandes unseres Unwissens geben. Trotzdem muss man sie ernst nehmen. Wenn neue Fakten bestehende Thesen einmal umwerfen, dann ist das Fortschritt. Bis dann arbeiten wir mit dem, was wir zurzeit wissen.

 

Ramona Kohrs hat den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft anhand führender Quellen zusammengefasst.

 

Klimawandel - findet er statt und haben wir Menschen dazu beigetragen?

 

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Mein Beitrag vertritt den Standpunkt, dass der Klimawandel real ist und menschliche Aktivitäten massgeblich dazu beigetragen haben. Meine Informationen basieren in erster Linie auf dem Buch “Heisszeit” von Mojib Latif und einem Vortrag von Stefan Rahmstorf, den er 2021 für den Bürgerrat Klima gehalten hat.

 

Die dem Klimawandel zugrunde liegenden physikalischen Prozesse sowie mögliche Auswirkungen werden schon lange von Wissenschaftlern beobachtet, gemessen, analysiert und projiziert: schon Alexander von Humboldt hat sich 1843 dazu geäußert, dann gab es 1896 erste Berechnungen von Svante Arrhenius zum CO2-Gehalt in der Luft und seine Auswirkung auf die Bodentemperatur, 1965 erschien der sogenannte Revelle-Bericht an US Präsident Johnson über den Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre und seine möglichen Auswirkungen auf das Klima, 1979 wurde die Erklärung der 1. Weltklimakonferenz abgegeben, dann kam 1988 die Aussage des Klimaforschers James Hansen im US Congress, und seit 1990 gibt es die regelmäßigen Sachstandsberichte des Weltklimarats IPCC.

 

Unter Klimaforschern herrscht mindestens seit der 1. Weltklimakonferenz in Genf 1979 weitgehende Übereinstimmung darin, dass der Klimawandel bzw. die Erderwärmung stattfindet und massgeblich durch menschliche Aktivitäten verursacht wird. So basieren die  IPCC-Berichte auf der Durchsicht und Auswertung von Forschungsergebnissen durch hunderte ehrenamtliche wissenschaftliche Experten aus aller Welt: beim 6. Sachstandsbericht waren 721 Experten aus 90 Ländern beteiligt, die ca. 14,000 wissenschaftliche Studien, Artikel und Forschungsberichte durchgesehen und ausgewertet haben; die Berichte müssen von ihnen insgesamt abgesegnet werden. Mittlerweile können Klimaforscher in komplexen computergestützten Klimamodellen die verschiedenen externen Klimaantriebe, sowohl natürliche (Sonneneinstrahlung, Vulkanausbrüche, Meeresströmungen) als auch anthropogene (Treibhausgas-Emissionen, Waldrodung) auf die globale Erderwärmung recht genau berechnen und die Ergebnisse früherer Berechnungen, wie die von James Hansen 1988 werden vielfach grundsätzlich bestätigt und weiter verfeinert.

 

Auch auf internationalen Konferenzen (1. Klimakonferenz 1979 in Genf, seit 1994 die jährlichen Konferenzen unter der Klimarahmenkonvention (COP)) und in Abkommen (Klimarahmenkonvention 1992, Kyoto Protokoll 1997, Pariser Klimaabkommen 2015) erklärt die Weltgemeinschaft Einigkeit in dieser Frage und bezeugt Vertrauen in die Klimaforschung und Akzeptanz ihrer Ergebnisse. So wurde das ursprüngliche Ziel, die Erderwärmung auf 2 C zu begrenzen im Pariser Klimaabkommen auf 1,5 Grad reduziert, basierend auf neuen Erkenntnissen der Klimaforschung, um das Risiko katastrophaler Folgen des Klimawandels zu minimieren. Ebenso akzeptieren die 195 Mitgliedstaaten des Weltklimarates alle 7 Jahre seinen Sachstandsbericht mit den Ergebnissen und Empfehlungen zum Klimaschutz.

 

Komplexe physikalische Prozesse und Reaktionen in der Atmosphäre und im Meer beeinflussen unser Klima. Der natürliche Treibhauseffekt durch Wasserdampf und etwa 25% des CO2 in der Atmosphäre hält die Erde relativ warm, wie eine Bettdecke - ohne ihn wäre es auf der Erde im Schnitt etwa 33 C kälter (-18 C). Dieser natürliche Treibhauseffekt ist über mehrere tausend Jahre hinweg relativ stabil geblieben. Langlebige Treibhausgase, vor allem CO2 (zu 66%), in geringerem Masse Methan (zu 17 %), Lachgas (zu 6%) und FCKW (zu 11%), verstärken den Treibhauseffekt, indem sie die Infrarotstrahlen von der Erdoberfläche absorbieren und wieder abstrahlen (atmosphärische Rückstrahlung). Aufgrund dieser Rückstrahlung erwärmt sich die Erdoberfläche derzeit um etwa 2 Watt pro m2. Das bedeutet: je höher die Konzentration von CO2 und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre, desto wärmer wird es auf der Erde. Dann kann es noch zu Rückkopplungen kommen: wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen, was zu weiterer Erwärmung führt. Wenn das Packeis in der Arktis schrumpft, kann das Meer mehr Sonnenstrahlung und Rückstrahlung aufnehmen und weniger Sonnenstrahlung wird vom Eis reflektiert. Berechnungen zufolge ist die tatsächlich gemessene Erderwärmung ohne anthropogene Klimaantriebe nicht zu erklären. Hinzu kommt, dass die Intensität der Sonnenstrahlung seit Mitte der 80er-Jahre abgenommen hat, sonst wäre die Erderwärmung wohl noch stärker!

 

CO2 als Spurengas in der Atmosphäre hat die stärkste und am längsten anhaltende Wirkung auf den natürlich existierenden Treibhauseffekt. Aus Lufteinschlüssen in Eisbohrkernen weiss man dass der CO2-Gehalt in der Luft während Tausenden von Jahren zwischen 180 ppm und max. 300 ppm geschwankt hat. Seit Beginn der Messungen auf Mauna Loa auf Hawaii im Jahr 1958 steigt der CO2-Gehalt kontinuierlich an (von 315 ppm auf knapp 427 ppm im Juni 2024) und der Anstieg hat sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt beschleunigt (1970er-Jahre im Schnitt 0,7 ppm pro Jahr, 1980er 1,6 ppm pro Jahr, 2010er 2,2 ppm pro Jahr). Das entspricht einer Steigerung um 50 % im Vergleich zum vorindustriellen Niveau von 280 ppm! Hauptgrund des starken Anstiegs sind die CO2-Emissionen, die bei der Nutzung fossiler Brennstoffe (Kohle, Öl, Gas) in Energieerzeugung, Industrie, Verkehr und Wohnen (Heizen) entstehen, sowie die Zerstörung natürlicher CO2-Senken (Rodung von Wäldern, Trockenlegung von Mooren, Bodenversiegelung). CO2-Emissionen weltweit sind seit 1990 um 60% gestiegen, seit 2015 um 4%. Wir haben heute die höchste CO2-Konzentration seit 3 Millionen Jahren, also seit Entwicklung der Menschheit! CO2 verbleibt für extrem lange Zeit in der Atmosphäre. Es geht dort keine chemischen Verbindungen ein und kann nur vom Meer und von natürlichen CO2-Senken an Land (Pflanzen, Wald, intakte Moore) aufgenommen werden.  Die Natur würde über tausend Jahre brauchen, um das von Menschen hinzugefügte CO2 wieder aus der Luft zu entfernen.

 

Wir beobachten einen immer stärker werdenden Anstieg der globalen Temperaturen (Abbildung SPM.1) seit Beginn des Industriezeitalters und dann nochmal seit der jüngsten Globalisierungsphase, die Anfang der 80er-Jahre begann. Wir stehen heute bei einer globalen Erderwärmung von etwa 1,2 C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit (zum Vergleich wird meistens die globale Durchschnittstemperatur zwischen 1850 und 1900 genommen). Die wärmsten Jahre weltweit seit Beginn der Aufzeichnungen sind alle seit 2005 aufgetreten; 2023 war das wärmste Jahr aller Zeiten, nicht nur global gesehen, sondern auch in Deutschland, und hätte beinahe die 1,5 C-Grenze geknackt (bei uns sind wir da längst drüber)! Die Temperatur vom Höhepunkt der letzten Eiszeit bis zum Klimaoptimum im Holozän ist sehr langsam angestiegen - damals etwa 1 C in tausend Jahren, jetzt haben wir schon 1 C in hundert Jahren erreicht! Gegenwärtig geschieht der Temperaturanstieg 20 mal schneller als während des Übergangs von der letzten Eiszeit in die heutige Warmzeit (Holozän) und das obwohl die Sonneneinstrahlung in den letzten 30 Jahren abgenommen hat. Es gibt eine starke Korrelation (Abbildung SPM.10) zwischen dem Anstieg des CO2-Gehalts in der Erdatmosphäre und der Erderwärmung. Schon Arrhenius hatte 1896 berechnet, dass die Temperatur an der Erdoberfläche um 5 C steigen würde falls sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre auf 560 ppm verdoppeln sollte. Heutige Klimamodelle projizieren zwischen 1,5 und 4,5 C für das Jahr 2100, je nach Szenario, ob CO2-Emissionen fallen und sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre stabilisiert oder ob sie weiter steigen. Die derzeitigen Selbstverpflichtungen der Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens in punkto Reduzierung der CO2-Emissionen würden höchstwahrscheinlich zu einer globalen Erwärmung von 2,5 C bis 2,9 C führen, also weit über das 1,5 C-Ziel hinausschiessen.

 

Wir beobachten auch steigende Meeresspiegel (Abbildung SPM.8), denn auch das Meerwasser erwärmt sich und dehnt sich aus. Hinzu kommt dann noch das Abschmelzen von Landeis - Gletscher, Eiskappen und Eisschilde, v.a. in der Antarktis und in Grönland. Im globalen Mittel ist der Meeresspiegel seit 1900 um 25 cm gestiegen, im 20. Jahrhundert im Schnitt 1,5 mm pro Jahr, seit Satellitenaufzeichnungen 1993 im Schnitt 3,5 mm pro Jahr. Die Eisschmelze in der Antarktis und auf Grönland nimmt ebenfalls seit 2000 zu. Der Anstieg des Meeresspiegels ist ein sehr langsamer Prozess, der sich aber durch das Überschreiten von Kipppunkten stark beschleunigen könnte. Bei erhöhtem Meeresspiegel richten Tsunamis und Sturmfluten größeren Schaden an.

 

Extremwetterereignisse (Abbildung SPM.3) werden häufiger und stärker und dauern oft länger an (Dürren, Starkregen, Waldbrände, Stürme, Hitzewellen) mit katastrophalen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen. Beispiele 2023: riesige Waldbrände in Kanada und Griechenland, Starkregen in Indien, Südkorea, China, und Japan, Hurricane in Libyen (Wasser im Mittelmeer war zu dem Zeitpunkt 28 C warm); Tropensturm in Idaho und Montana; Superzellengewitter mit riesigen Hagelkörnern in Kroatien und Slowenien, Tornado n Südafrika, extreme Hitze in Italien, Spanien, Griechenland (46 C), in China (über 50 C), in Arizona (einen Monat lang täglich über 43 C in Phoenix); Dürre im Iran und im ganzen Mittelmeerraum; Beispiele 2024: Überschwemmungen durch Starkregen im Süden Brasiliens und in Bayern, extreme Temperaturen in Indien, Japan, USA, über 50 C in Mekka mit über 1000 Hitzetoten,  Hurricane Beryl (der bisher am frühesten aufgetretene Hurricane in der Karibikregion).

 

Pflanzen, Tiere und Insekten passen sich dem Klimawandel an, das können wir alle beobachten. Sie breiten sich wegen der Erwärmung aus (Zecken, Tigermücken, Austern), ziehen in kältere Zonen (z. B. Fischarten, die an kaltes Wasser gewöhnt sind), der Vogelzug verändert sich (Störche kommen früher aus ihren Überwinterungsgebieten zurück), Vögel werden von Zug- zu Standvögeln (Gartenrotschwanz). Arten sterben aus bzw. sind vom Aussterben bedroht, weil der Klimawandel zu schnell passiert (Brüllaffen) oder angestammte Lebensräume unbewohnbar werden (Eisbären). Die Vegetationsperiode beginnt mittlerweile ca. 1 Woche früher, woran sich Landwirte, Obstbauern und Hobbygärtner anpassen müssen, was nicht immer gelingt. Wälder, insbesondere Monokulturen von Baumarten wie Fichten, die ein kälteres Klima bevorzugen, sterben ab, so z. B. Im Harz oder im Odenwald.

 

Klimaflüchtlinge gibt es schon jetzt, u.a. in Alaska (der Ort Newtok versinkt wegen Küstenerosion und Auftauen des Permafrosts und seine Bewohner müssen dringend umgesiedelt werden), eine Massnahme, die die Bewohner von Ile de Jean Charles in Louisiana schon hinter sich haben. Dieses Schicksal wird irgendwann auch kleine Inselstaaten im Südpazifik treffen: so hat Australien den Bewohnern Tuvalus angeboten, ihnen “Klimaasyl” zu gewähren wenn der Inselstaat in einigen Jahrzehnten im Meer versinkt. In Zukunft könnten viele Küstenregionen und Inseln betroffen sein, denn der Meeresspiegel wird bis 2100 weltweit mindestens um einen halben Meter ansteigen. Werden die Bewohner von Halligen auch irgendwann von dort wegziehen müssen? Bei zunehmender Erderwärmung werden einige Regionen unbewohnbar werden, z. B. grosse Gebiete in Äquatornähe, und die dort lebenden Menschen müssten aus diesen Gebieten fortziehen, um zu überleben. Falls keine drastische Reduzierung der weltweiten Treibhausgas-Emissionen erfolgt, könnten im Jahr 2070 bis zu 3 Milliarden Menschen von solch extremen Klimabedingungen betroffen sein.

 

Quellen

Mojib Latif, Heisszeit. Herder, 2020.

Stefan Rahmstorf, Vortrag gehalten am 26.04.2021 für den Bürgerrat Klima.

Berichte des Weltklimarates IPCC.

Berichte des Weltklimarates IPCC auf Deutsch.

Deutsches Klima-Konsortium, Was wir heute übers Klima wissen: Basisfakten zum Klimawandel, die in der Wissenschaft unumstritten sind, Stand Dezember 2023.