Aktuell - Moorschutz im Koalitionsvertrag

Natürlicher Klimaschutz

Wir entwickeln ein Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, mit dem wir Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz schaffen und stärken mit Renaturierungsmaßnahmen die Resilienz unserer Ökosysteme, insbesondere Moore, Wälder, Auen, Grünland sowie marine und Küstenökosysteme, gegen die Klimakrise. Wir stellen eine ausreichende Finanzierung aus dem Energie- und Klimafonds bereit. Zusätzlich richten wir einen Bundesnaturschutzfonds ein und bündeln die bestehenden Bundesprogramme zum Naturschutz. Moorschutz liegt im öffentlichen Interesse. Wir werden eine Nationale Moorschutzstrategie verabschieden und zügig umsetzen. Wir werden die Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen durch einen partizipativen Prozess zur Erarbeitung nachhaltiger Entwicklungskonzepte begleiten, Perspektiven für die Regionen entwickeln und alternative Bewirtschaftungsformen stärken (u. a. Paludikulturen). Wir werden Alternativen zur Torfnutzung entwickeln und beschließen einen Ausstiegsplan für Torfabbau und -verwendung.

KOALITIONSVERTRAG ZWISCHEN SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP Seite 38

 

Moorschutz oder Autobahn?

Moore sind wertvoll, darüber sind sich alle einig. Oder?

Das Bundesministerium für Umweltschutz sieht Handlungsbedarf: “Intakte Moore sind nicht nur beeindruckende Landschaften, sie bieten auch wertvolle Lebensräume für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten und erfüllen wichtige Funktionen für Klimaschutz und -anpassung, den Wasser- und Nährstoffhaushalt sowie unsere Erholung. Das Bundesumweltministerium (BMU) setzt sich deshalb sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene dafür ein, Moore als Lebensräume zu schützen und zu erhalten, geschädigte Moore wiederherzustellen und eine nachhaltige Bewirtschaftung wiedervernässter Moorböden voranzubringen.” Link HIER.

Das BMU weiß auch, wie vorzugehen, es “tritt seit langem dafür ein, Moore in Deutschland zu schützen und wiederzubeleben. Denn hierzulande gelten mehr als 90 Prozent der Moorflächen als entwässert – sie wurden trockengelegt, um Torf zu stechen und Land- und Forstwirtschaft zu ermöglichen. Entwässerte Moore können jedoch ihre wichtigen Funktionen für Natur- und Klimaschutz nicht oder nur noch teilweise erfüllen.

Bereits im Jahr 2015 hat das Bundesumweltministerium den Deutschen Moorschutzdialog ins Leben gerufen, um die Anliegen verschiedener Interessensgruppen im Bereich Moorschutz zu verbinden....”

Foto schulze kloeckner 21.11.21Svenja Schulze und Julia Klöckner

Das BMU schaffte es sogar, mit der stark Umwelt-resistenten noch-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine “ Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz” zu unterschrieben (hier als PDF, dazu das Diskussionspapier). “Bis zum Jahr 2030 sollen damit die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Moorböden um fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert werden. Zuletzt stammten etwa 53 Millionen Tonnen CO2-Emissionen aus entwässerten Moorböden, das entspricht 6,7 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Moorböden machen in Deutschland etwa acht Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus.” Link HIER.

Auch die die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Martin Bäumer und Helmut Dammann-Tamke begrüßen den Schutz der Moore:

„Der Klimaschutzfaktor von Moorböden ist beachtlich. Weltweit entziehen Moore der Atmosphäre 150 – 250 Mio. Tonnen CO2 jährlich. Durch die Entwässerung und wirtschaftliche Nutzung von Mooren entfällt der Effekt zur Bindung und Einlagerung von CO2. Eine intensive Bewirtschaftung von Moorflächen führt, infolge des Abbaus organischer Materie, zu einem Anstieg klimaschädlicher Emissionen. Der Schutz der Moore sowie ihre Bedeutung für den Klimaschutz steht außer Frage...” Link HIER.

Von der Absichtserklärung zur Praxis

Genauso wie bei den alternativen Energien gibt es längst Techniken, die es erlauben, vom Wort zur Tat zu schreiten. Gewiss hat der Moorschutz schon sehr viele Fortschritte gemacht in der Region. Dazu auf dieser Seite das Interview mit Dr. Uwe Andreas, Leiter des Naturschutzamtes des Landkreises Stade.

MoorSind aber Landwirte, die wichtigsten Akteure, schon voll dabei? Bauern müssen überleben können von ihren Äckern und Vieh. Dieses Überleben wird heute aber weitgehend bestimmt von Gesetzen und Regeln, die weitab vom Acker entworfen und debattiert werden. Wenn Moorschutz ernst genommen werden soll, dann muss er sich auch für die Landwirte lohnen. An dieser Frage arbeitet das Moor Centrum der Universität Greifswald Link HIER. Es forscht, was für Produkte man aus einem weitgehend naturbelassenen Moor gewinnen kann – und das ist überraschend viel. Im Video auf dieser Seite erklärt Sören Manzel von der Uni Greifswald, was die Paludikultur, die nachhaltige Bewirtschaftung der Moore, ist. Ein Tiny House mit Moor-Produkten reiste im letzten Sommer auf einer “Roadshow” auch nach Stade, um zu zeigen, was ein Moor alles zu bieten hat.

Trotz allem, der Beton droht

Die Autobahn A20 soll offenbar trotz Klimakrise, trotz Bürgerprotest und in krassem Widerspruch zu einer angeblich angestrebten Verkehrswende weiter gebaut werden. Widerstand der Bürger wird hier dokumentiert: https://a20-nie.de/ Bei diesem Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A20 (A22) findet man auch die Kontakte zum mitmachen.

Siehe auch: Moor bleibt Moor – Aktionsbündnis für Mobilitätswende und gegen A20 gegründet

Wir haben auch nachgefragt bei der Bundeseigenen Nord Autobahn GmbH:

“Das Kompensationskonzept in den genannten Bauabschnitten sieht eine Wiedervernässung von derzeit intensiv landwirtschaftlich genutzten Torfböden vor,” so Pressereferent Christian Merl. “Auch beim Bau der Trasse ist beabsichtigt auf einen Ausbau und Abtransport des Torfes zu verzichten. Durch das geplante Überschüttverfahren, bleibt das im Torf vorhandene Co2 gebunden.”

Dies ist die ganz übliche Beschwichtigungs-Melodie. “Das ist eine formale, aber fachlich nicht belastbare Antwort, da nur eine Absichtserklärung,” meint Heiner Baumgarten, vom BUND Stade. “Natürlich wird auch im Auflastverfahren / Überschüttverfahren das Moor massiv geschädigt, da die überschüttete Fläche nicht mehr für die CO2-Bindung zur Verfügung steht. Eine Wiedervernässung von landwirtschaftlichen Flächen führt erst nach vielen Jahren zu einer echten Moorentwicklung und damit CO2-Speicherung.” (siehe auch kurz-Interview auf dieser Seite).

Das bestätigt auch Susanne Grube, vom Bündnis A20 Nie: “Zum jetzigen Zeitpunkt sind das nur Absichtserklärungen, die zudem aus meiner Sicht nicht korrekt sind. Abschnitt 7 ist ja noch nicht im Verfahren, d. h. über Kompensationsmaßnahmen/Wiedervernässung ist uns noch nichts bekannt. In Abschnitt 6 sind meines Wissens keine Wiedervernässungsmaßnahmen von Mooren geplant. Extrem kleinräumig gibt es eine Maßnahme, die im weitesten Sinne als Moorvernässung identifiziert werden könnte, nämlich "Entwicklung von nährstoffarmen Feuchtbiotopen und Gagelgebüschen". Ansonsten handelt es sich um die Entwicklung von Kleingewässern, Gewässerrrandstreifen und Extensivierung von Grünland, was alles nichts mit einer Moorwiedervernässung zu tun hat.

Ebenfalls nicht korrekt ist die Aussage, dass beim Bau der Trasse beabsichtigt sei, auf einen Ausbau und Abtransport des Torfes zu verzichten. Tatsächlich wird das Überschüttverfahren nur bei Torfmächtigkeiten über drei Meter angewendet. Alle Torfe in Mächtigkeiten unter drei Meter werden vollständig ausgekoffert und durch Sand ersetzt. Auch in den Bereichen mit größeren Torfmächtigkeiten wird vor Aufsetzen des Vorbelastungsdammes torfhaltiger Oberboden abgeschoben und beseitigt. In jedem Fall wird durch die Autobahntrasse in den betroffenen Bereichen das Potenzial, CO2 zu speichern, zubetoniert.”

Der Streit für die Moore ist trotz guter Absichten noch lange nicht vorbei. Die Erfahrung zeigt, dass möglichst lange geredet wird, während der Beton immerzu weiter rollt. Politiker wie Christian Lindner reden gerne von “Technologien entwickeln”. Dann meinen sie in erster Linie Chancen für fette Geschäfte suchen. Technologien gibt es längst, im Bereich Energie genauso wie für die Landwirtschaft. Nur, an Paludikultur verdient etwa Bayer-Monsanto nichts. Da gibt es bloß Geschäfte für Landwirte und Handwerker. Wer spricht für sie?

 

Schutz der Moore m Landkreis Stade - Ein Gespräch mit Dr. Uwe Andreas, Leiter des Naturschutzamtes LK Stade (4:03 Min.)

 

Pauldikultur Roadshow - Rettet die Moore (8:25 Min.)

 

Moor und Autobahn - Heiner Baumgarten vom BUND Stade über Schutz und Zerstörung (1:43 Min.)