Spätestens mit der Veröffentlichung der Krefeldstudie, mit der drastische Bestandseinbrüche bei den Fluginsekten in Naturschutzgebieten nachgewiesen wurden, ist das Insektensterben in aller Munde. Wer sich die Roten Listen der gefährdeten Arten anschaut, wird aber sehr schnell feststellen, dass sich der Rückgang an Artenvielfalt über alle Organismengruppen erstreckt. Dadurch entsteht bei vielen Menschen der Wunsch, selber einen Beitrag zum Schutz der Natur zu leisten. Es ist daher kein Wunder, dass Gartencenter, diesem Trend folgend, ihre Produkte immer stärker als insektenfreundlich bewerben. Neben Insektenhotels werden Blühmischungen, Stauden und Gehölze als besonders insektenfreundliche beworben.

Die Namen der Blühmischungen versprechen den Käufern wahrlich paradiesisches:

  • Wildblumenmischung
  • Bienen- und Hummelmagnet
  • Bienen-Garten Saatmischung
  • Blumenmischung Insektenparadies

Aber halten diese Blühmischungen auch das, was sie versprechen? Wer sich mit den abgedruckten botanischen Namen auf den Samentüten auskennt, wird sehr schnell erkennen, dass oft ein hoher Anteil exotischer Arten und Kulturpflanzen in den Mischungen vorhanden ist. Von heimischen Wildpflanzen ist oft kaum etwas enthalten.

Sähen wir solche Mischungen im Garten aus, werden wir, wenn alles klappt, mit einem bunten Blütenmeer belohnt. Auch Insekten fliegen diese Blüten an. Wer sich aber auskennt, wird feststellen, dass das Gesumme im Blumenbeet nur von wenigen ohnehin häufigen Insektenarten hervorgerufen wird. Der weit überwiegende Teil der Insektenarten, denen wir durchaus auch im Garten helfen könnten, profitiert überhaupt nicht von diesen Blühmischungen. Das liegt daran, dass die meisten heimischen Insekten an heimische Wildpflanzen angepasst sind.

BlühmischungHübsch bunt, aber weitestgehend nutzlos für die Natur! Diese als insektenfreundlich angepriesene Blühmischung bringt heimischen Insekten nur wenig.

Nicht allein, dass diese Blühmischungen keinen Wert für unsere Insekten haben, teilweise können auch invasive Neophyten enthalten sein, die in der heimischen Natur Schaden anrichten, da sie z. B. durch eine ungebremste Vermehrung heimische Arten verdrängen können.

Im heimischen Garten und allgemein im Siedlungsbereich darf man diese Blühmischungen zwar aussähen und auch andere exotische Pflanzen vermehren, in der freien Natur ist das Ausbringen der meisten angebotenen Blühmischungen aber aus gutem Grund seit spätestens 2020 verboten. Um die genetische Anpassung und die genetische Vielfalt der natürlich vorkommenden Arten zu erhalten, darf nur gebietseigenes Saatgut, auch "authochthones Saatgut" oder Regiosaatgut genannt, in der freien Natur ausgebracht werden.

 

Bienenfreundliche Pflanzen? Ja klar! Aber...

In Deutschland kommen mehr als 30.000 Insektenarten vor und nur ein kleiner Teil gehört zu den Wildbienen. Natürlich ist es schön, wenn man an blühenden Pflanzen Bienen und Schmetterlinge beim Nektar- und Pollensammeln beobachten kann. Für Artenvielfalt braucht es aber mehr!

Hier eine kleine Auswahl an für Bienen (weitestgehend) nutzlosen Pflanzen, die in keinem Garten fehlen sollten.

 

Brennessel

 

Brennnessel
Klar, das weiß jeder: viele Schmetterlings-Raupen (36 Arten) sind auf sie angewiesen. Keine Brennnesseln - keine Tag-Pfauenaugen. Daneben leben auch viele Käfer, Fliegen, Wanzen und andere Arten an der Brennnessel. Auch die Stängel werden von einigen Insekten zur Überwinterung genutzt und sollten über Winter stehen bleiben. 

gemeiner Beifuß

 

Gemeiner Beifuß
Gleiches gilt für den Gemeinen Beifuß und andere verwandte Arten. 25 Schmetterlings-Raupen so wie vielen anderen Insektenarten dient er als Nahrung. Mehrfach habe ich Larven in den Stängeln gefunden, wenn ich die Pflanze im Herbst zurückgeschnitten habe. Macht also nicht den gleichen Fehler, sondern wartet bis zum nächsten Frühjahr.

Wiesen Sauerampfer

 

Wiesen-Sauerampfer
Wiesen-Sauerampfer und verwandte Arten bringen es sogar auf 73 Schmetterlings-Arten, die als Raupe auf sie angewiesen sind. Hier sind z. B. die verschiedene Feuerfalter-Arten zu nennen. Auch die Anzahl anderer Insektenarten, die auf Ampfer-Arten angewiesen sind, ist beachtlich.

Spitzwegerich

 

Spitz-Wegerich
65 Schmetterlings-Arten dient der Spitz-Wegerich als Raupenfutterpflanze. Hinzu kommen zahlreiche Insektenarten aus anderen Insektengruppen, die auf ihn angewiesen sind.
Gemeines Ruchgras Gemeines Ruchgras
Das Gemeine Ruchgras steht hier nur stellvertretend für die vielen Gräser, die bei uns heimisch sind. Da viele auf Gräsern lebende Insektenarten nicht so stark spezialisiert sind, kommt es auf eine bestimmte Grasart oft auch nicht an. Zahlreiche Insektenarten, darunter auch viele Schmetterlinge sind auf Gräser angewiesen. Insbesondere unter den Heuschrecken fressen viele Arten an Gräsern. Kein Gras - keine Heuschrecken, Wanzen, Zikaden ...
   

 

Der Entomologe Klausnitzer gibt folgende durchschnittliche Zahlen pflanzenfressender Insektenarten an verschiedenen heimischen Pflanzentypen an:

  • Einjährige Sommerpflanzen 1–3
  • Einjährig überwinternde Pflanzen 2–4
  • Zweijährige Pflanzen 6–8
  • Mehrjährige Krautpflanzen 6–12
  • Ausdauernde Krautpflanzen 20–80
  • Holzgewächse 40–460

Von diesen Insektenarten kommt ein nicht unerheblicher Teil nur auf einer Pflanzenart oder auf wenigen verwandten Pflanzenarten vor.

Daraus folgt: Je mehr heimische Pflanzen wir, ob bienenfreundlich oder nicht, in den Garten holen, umso mehr Insektenarten können wir erwarten. Am besten ist es natürlich, wenn die Pflanzen aus der nächsten Umgebung unseres Gartens stammen, da dann die darauf angewiesenen Insektenarten auch eine Chance haben unsere Gärten zu erreichen.

BlattfrassWenn niemand von deinen Pflanzen frisst ist dein Garten nicht Teil des Ökosystems! Heimische Kräuter und Sträucher sind die Nahrungsgrundlage für unsere Insekten. Die heimische Salweide ist dabei ein echter Hotspot der Artenvielfalt. Der Naturgärtner freut sich über angefressene Blätter.

Heimische Pflanzen und Klimawandel

Oft wird kritisch hinterfragt, ob unsere heimischen Wildpflanzen in Zeiten des Klimawandels überhaupt eine Überlebenschance bei uns haben. Richtig ist, dass der Klimawandel eine Bedrohung für die heimische Natur ist. Neben Verlierern unter den heimischen Arten wird es aber auch einige Gewinner geben, die mit den veränderten Klimabedingungen besser zu Recht kommen werden. Ein großer Teil der bei uns vorkommenden heimischen Pflanzenarten ist in Europa jedoch sehr weit verbreitet. So kommen viele der für Insekten besonders nützlichen Pflanzenarten, wie z. B. Brennnessel, Beifuß und Rainfarn in weiten Teilen Europas von Norwegen bis Griechenland vor.

Erste Untersuchungen an einzelnen Wildpflanzen haben sogar gezeigt, dass regionale Herkünfte auch in Zeiten trockener heißer Sommer vitaler sind und stärker durch Insekten genutzt werden, als Herkünfte der gleichen Arten aus wärmeren trockeneren Klimaten. So sind Pflanzenherkünfte aus Nordwest-Deutschland immer noch besser an unsere Region angepasst, als Pflanzen der selben Art, die aus einer Weinbauregion Süd-Deutschlands stammen. Das Klima ist nur ein Faktor von vielen, der die Anpassung von heimischen Pflanzen ausmacht.

 

Wie ich meinen Balkon oder Garten insektenfreundlich bepflanze

Heimische Gehölze und Kräuter stellen das Grundgerüst eines insektenfreundlichen Gartens dar und können z. B. auf dem Balkon in Töpfen, im Blumenbeet oder in einer Wiese ihren Platz finden. Viele Insekten sind Spezialisten, die auf das Vorhandensein einer bestimmten Pflanzenart angewiesen sind, wie ein Schlüssel, der nur in ein bestimmtes Schloss passt. Exotische Gartenpflanzen und Kultursorten mit gefüllten Blüten werden daher nur von wenigen ohnehin häufigen Insektenarten genutzt. Die meisten Wildpflanzen bevorzugen nährstoffarme Böden, so dass man auf Dünger weitestgehend verzichten sollte. Wo bekommt man aber regional angepasste Pflanzen her?

 BieneHosenbienen Sammeln den Pollen von heimischen Korbblütlern, wie dieser Wiesen-Flockenblume

Wenn man auf eine Samentüte zurückgreifen will, sollte man im Internet nach Regiosaatgut suchen. Ausgehend von in der Natur gesammelten Wildpflanzen-Saatgut aus einer von 52 Herkunfts-Regionen Deutschlands, wird in Vermehrungsbetrieben regional angepasstes Saatgut erzeugt und von verschiedenen Anbietern im Internet angeboten. Wichtig dabei ist, dass man die richtige Region auswählt. Leider ist Regiosaatgut in Gartencentern bisher kaum vertreten.

Basierend auf 4 Herkunftsregionen kann man auch fertige Pflanzen aus dem Projekt "Tausende Gärten – Tausende Arten“ erhalten (https://www.tausende-gaerten.de/). Besonders für den Balkon aber auch für größere Gärten geeignet bekommt man so heimische Wildpflanzen.

Wer sich gut mit heimischen Pflanzen auskennt, kann Samen auch direkt in der Umgebung seines Gartens sammeln. Aber Vorsicht! Man darf nur Samen für den Eigenbedarf, von nicht geschützten Pflanzen außerhalb der Naturschutzgebiete entnehmen. Auch gefährdete Arten oder solche mit nur kleinen Vorkommen sollte man unbedingt schonen.

Eine der besten Möglichkeiten eine naturnahe Vegetation zu erhalten ist einfach zu warten, was von alleine den Weg in den Garten findet.

 wachsenlassenMan muss nicht immer zur Samentüte greifen! Einfach mal wachsen lassen!

Heimische Wildpflanzen bekommt man auch in Wildstauden-Gärtnereien. Zwar werden hier nicht immer regional angepasste Herkünfte angeboten, aber die Pflanzen nutzen unserer heimischen Natur mehr, als züchterisch veränderte Zierpflanzen.

Mehr Strukturvielfalt im Garten

Im folgende werden noch einige Elemente von Naturgärten vorgestellt. Beschreibungen zur Anlage und Pflege findet man unter den betreffenden Schlagwörtern im Internet und können hier nur kurz angerissen werden.

 

Insektenhotel

Insektenquartiere mit Holz, Schilf oder Ton, passen auf jede Terrasse oder auf den Balkon und laden zum Beobachten von Wildbienen ein. Achten sie darauf, dass die Bohrlöcher sauber und glatt gearbeitet sind. Im Gartencenter findet man leider auch Nisthilfen, die mit Holzwolle und Kiefernzapfen versehen zwar einigen Insekten Unterschlupf bieten, den Wildbienen aber nur wenig Platz einräumen. Informieren sie sich vor dem Kauf daher gut oder bauen sie das Insektenhotel selber.

Denken sie auch daran, dass Wildbienen heimische Wildpflanzen und Baumaterial wie z. B. feuchten Lehm benötigen.

 

Hecken aus heimischen Gehölzen

Gehölze wie Salweide, Faulbaum und Schlehe sowie viele weitere heimische Sträucher und Obstgehölze bieten vielen Insekten wie z. B. Schmetterlingsraupen Lebensraum. Hecken aus exotischen Pflanzen wie Kirschlorbeer oder Thuja helfen den heimischen Insekten hingegen wenig. Zahlreiche Insektenarten, die noch im Sommer an den Blättern gefressen haben, Fallen mit dem Laub zu Boden und überwintern in der Laubstreu. Pflanzen sie freiwachsende Hecken und belassen sie das Laub über Winter unter den Gehölzen.

 ZitronenfalterDie Raupen des Zitronenfalters benötigen zur Entwicklung Faulbaum oder Kreuzdorn.

Totholz

Totholz ist voller Leben! In allen Zerfallsphasen des Holzes leben Insekten und andere Organismen. Insbesondere viele Arten aus der Gruppe der Käfer sind auf Totholz angewiesen. Bohrlöcher der Käferlarven können nachfolgend von verschiedenen Wildbienen genutzt werden. Dickere Stämme können sie zu Holzhaufen aufschichten oder mit Bohrlöchern versehen im Insektenhotel verbauen.

Dünnere Zweige lassen sich zu Benjeshecken und Reisighaufen aufschichten und bieten neben Insekten auch Amphibien und Vögel einen Rückzugsort.

 PinselkäferDie Larven des Pinselkäfers entwickeln sich im modernden Holz. Der ausgewachsene Käfer besucht im Sommer heimische Wildpflanzen.

 

Wasser im Garten

Eine Lehmpfütze und eine Vogeltränke in einer größeren Schale findet auch auf dem Balkon Platz und bietet Wildbienen Lehm als Baumaterial und vielen Insekten und anderen Tieren an heißen Tagen Wasser. Hat man mehr Platz, sollte man einen Gartenteich anlegen. Ob Vogeltränke oder Gartenteich, denke sie daran, dass Kleintiere flache Stellen benötigen, an denen sie nicht ertrinken können.

Die Bepflanzung des Gartenteichs erfolgt mit heimischen Sumpf- und Wasserpflanzen. Wenn sie keine Fische in ihren Gartenteich einsetzen, werden sie mit einem reichen Leben an Libellen, Wasserkäfern und vielen anderen Wassertieren belohnt.

 

Sandarium

Von den 460 in Deutschland vorkommenden Wildbienenarten, nisten etwa 340 Arten im Boden. Dabei werden offene wenig bewachsene Sandböden bevorzugt. Auch andere seltene Arten wie z. B. Ameisenlöwen und verschiedene Wespen besiedeln diese immer seltener werdenden Lebensräume. Für ein Sandarium reichen wenige Quadratmeter. Verwenden sie ungewaschenen Sand in einer Schichtstärke von mindestens 50 cm. Auch mit Kleinpflaster befestigte Wege oder Plätze sind für die Bodenbewohner geeignet, sofern man als Unterbau Sand verwendet.

ZottelbieneZottelbiene an ihrem Nesteingang 

 

Wiese

Weniger mähen - mehr Insekten! Wiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Europas. Heuschrecken, Käfer, Zikaden, Schmetterlinge und vieles mehr findet auf der Wiese seinen Lebensraum. Ob sie ihren Rasen seltener mähen oder ob sie eine Wiese neu einsähen, auf jeden Fall werden sie mehr Tiere beobachten können, als auf einem Englischen Rasen. Wiesen sind artenreicher je nährstoffärmer der Standort ist. Auf Dünger sollte man hier deshalb verzichten. Das Mahdgut muss entfernt werden und findet als Mulchdecke in Beeten oder auf dem Komposthaufen seine Verwendung. Bei der Neuanlage sollte man Regiosaatgut für Wiesen verwenden.

 HeuschreckenHeuschrecken beim Sonnenbad am Rande einer Wiese. Nur wenn selten gemäht wird, siedeln sie sich an.

 

Weitergehende Informationen

Die oben beschriebenen Elemente eines insektenfreundlichen Gartens sollen ihnen als Anregung dienen. Sofern sie Insektenhotels, Hecken, Totholzhaufen, Benjeshecken, Gartenteich, Sandarium oder Wiese anlegen wollen, sollten sie sich noch genauer informieren, um Fehler zu vermeiden. Informationen erhält man z. B. bei Naturschutzverbänden wie dem NABU oder dem BUND sowie beim Naturgarten e. V..