Es gab mal eine Zeit, da wusste man, wo man stand. Es gab hüben und drüben. Drüben standen zunächst die Eltern, die Lehrer. Die glaubten zu wissen, was gut für einen war. Selber sah man das oft anders. Irgendwann verblassten diese ephemeren Fronten der Jugend, es tauchten Sachzwänge auf. Beziehungen. Fortbildung. Militär.

Beruf. Und Politik. In einem Netz von Beziehungen und Einflüssen baute man sich seinen Standort auf, emotional wie real. Träume und Realität begegneten sich, manchmal näher beim Ideal, meistens dort, wo man Kompromisse findet. Wie immer es konkret aussah, für die Mehrheit von uns waren es gesegnete Zeiten. Papas Kriegsgeschichten rückten in weite Ferne. Fortschritt hieß das Versprechen, das Armut und Hunger, aber auch gesundheitliche Hürden zu überwinden versprach. Dabei kannte man seinen Standort. Im Beruf, im Freundeskreis, im Glauben oder in der Politik. Ob aktiv in einer Partei oder passiv als Wähler, man fühlte sich beteiligt. Ja, die Gegner mögen Deppen gewesen sein. Aber sie waren keine Bedrohung. Wir standen auf einer Seite, ordneten uns ein mit Gleichgesinnten, die ähnliche Ziele verfolgten. Es gab Verbindung. Etwas, das man im weitesten Sinne Gemeinschaft nennen konnte. Ja, auch mit dem bescheuerten Nachbarn, der partout seine Hecke nicht trimmen wollte. Oder dem idiotischen Politiker, der die Landschaft mit einer Autobahn ruinieren wollte.

Wer weiß heute noch, wo sie oder er steht? Gefühlt wurden die Fronten hart. Aber wo verlaufen sie? Sie durchsetzen die Gesellschaft statt sie in überschaubare Blöcke zu teilen. Ich lese die Geschichte einer Frau, die lauthals “Ausländer 'raus” ruft, aber monatelang einen Flüchtling aus Äthiopien aufnimmt und zu einem neuen Leben verhilft. Ich verzweifle an Menschen, die über Natur und Umwelt predigen aber Krieg fördern. Ich sehe Unternehmer, die weit mehr im Auge haben als nur den Profit, der sie angeblich alle antreibt. Wo sind die vormals klaren Fronten zwischen “links” und “rechts”? Da konnte man sich noch einordnen. Wie gerne hat man etwa den Schmäh “linksgrün versifft” angenommen oder verworfen. Die diffusen Fronten von heute sind herausfordernder. Sie erlauben keine Zuordnung mehr. Was sage ich zu der Frau, die auf Ausländer schimpft, aber hilft, wo Not ist? Und was sagt man einem Umwelt-Aktivisten, der plötzlich nur noch über Panzer schwadroniert? Was können wir tun in einer solchen Lage? Sich ins Schneckenhaus zurückziehen?

Corona war ohne Zweifel der Auslöser. Es wurde präsentiert wie der Weltuntergang, alltäglich die Hiobsbotschaften, die Statistiken über Tote, Kranke und Virusträger. Statistiken, die nur die wenigsten verstanden. Bilder von Leichenbergen in Militärkonvois, Berichte von Pflegeheimen im Notstand und die Drohung einer Pandemie ohne Heilung bedrückten uns. Menschen, die anders darüber dachten, die experimentelle Impfstoffe verweigerten, wurden wie Verbrecher beschimpft, bespuckt, beleidigt. Und kaum beruhigte sich die Corona Lage, gab es Krieg. Es war nicht unser Krieg, aber sie machten ihn zu unserem Krieg, ob wir wollten oder nicht.

Und so stehen wir da und schauen auf eine Welt, zu deren Besserung wir doch aktiv beitragen wollten. Unsere ausgestreckte Hand trifft oft auf Schimpf und Schelte. Es gibt keinen Bereich mehr, in dem wir uns einordnen wollen. Und deshalb müssen wir jetzt Schnittmengen finden. Gemeinsamkeiten suchen, um wieder handeln zu können. Wo kann ich einher gehen mit Mitmenschen? Welche Differenzen können wir beiseite lassen, um wenigstens bei einem Punkt weiter zu kommen? Zusammen etwas tun, aufbauen, bewirken ist die beste Art, Gemeinschaft zu bilden. Wir müssen Menschen suchen, mit denen wir uns verbinden können und Ideologien und Blöcke erst einmal vergessen. Der Depp von gestern kann morgen zum Mitstreiter werden. Sich engagieren ist schön, auch mit Menschen die anders denken. Lasst uns nicht nur auf die Differenzen achten sondern auf die Gemeinsamkeiten. Schnittmengen.