Eine Ausgangssperre für die Schwächsten
Beobachtet von Tristan Jorde

19.01.24Schneeräumung Teichstraße Foto Tristan JordeWer in den letzten Tagen und Wochen aufmerksam durch Stade lustwandelte, konnte ein merkwürdiges Phänomen beobachten:
Es schneit. Es liegt Schnee. Und das im Winter!

Wer sich jetzt darüber wundert, wen das denn wundern könnte, könnte dabei kurz einmal an die Stader Stadtverwaltung denken.

Die war nämlich offensichtlich so überrascht von diesem – offenbar in der städtischen Planung nicht vorhergesehene – Ereignis, dass sie sicherheitshalber auf eine flächendeckende Schneeräumung – vorzugsweise auf Fußwegen, Radwegen und im Bereich von Haltestellen – weitgehend verzichtete und lieber Tauwetter zu Hilfe betete.

Nein, nein, es stimmt schon, die Hauptstraßen - genauer: Fahrbahnen – waren nach einigen Stunden leidlich und unter Einsatz von viel eigentlich verbotenem Tausalz befahrbar, was jedoch nichts an der völlig ungenügenden Gesamtsituation änderte.

Ob Fußgängerquerungen an Straßen, ob ÖPNV Haltestellen und deren Umfeld, ob Wochenmarkt oder Schulweg: Kein Bereich, den man nicht mühelos unter Einsatz von Steigeisen und Schistöcken überwinden könnte, wenn man sich traute.

Was für gut bewegliche Kinder – abseits der realen Gefahr in Fahrbahnnähe – oftmals ein Riesenspaß ist, was bei Autos eventuell eine kleine Rutschpartie oder auch einmal ein Blechschaden bedeutet, hat jedoch für Menschen, die sich nicht so leicht tun mit Ihrer Fortbewegung, fatale Konsequenzen.

Ältere, gehbehinderte Menschen, Menschen mit Rollator oder auch nur mit dem Kinderwagen, Menschen mit anderen körperlichen Einschränkungen, sie alle hatten nur die Wahl:
Entweder vom Wohnzimmer ins Automobil (so vorhanden) oder knallhart zu Hause bleiben und ihre lebensnotwendigen Gänge einfach nicht erledigen können. Gemachte Ausgangssperre.
Und das über Tage, eigentlich – mit kurzen Unterbrechungen dank „Räumungsdienst Tauwetter“– den ganzen Januar.

Übrigens: Radfahrerinnen und Radfahrer hatten ohnehin in dieser Zeit durchgehend die „Weiße Karte“ gezogen, gleichbedeutend mit der flächendeckenden Nichtbenutzbarkeit der Fahrbahnen und Radwege für den umweltfreundlichen, nicht motorisierten Individualverkehr.

Kurzum:
Winterdienst fand nicht so statt, wie man ihn in einer modernen Stadt, vor allem Sinne der schwächeren oder bewusst umweltfreundlichen Verkehrsteilnehmer, erwarten und erhoffen sollte.

Der Grund:
Ganz banal. Die Stadt spart, koste es was es wolle.
Die Stadt ist stolz auf ihre Sparziele, da kann man dann schon einmal viel zu wenig Personal und viel zu wenig Gerätschaft haben, um Schneeräumung ernsthaft zu betreiben.
Das ist die – Achtung Wortspiel! – Kehrseite der allseits gerühmten Sparwut. Auf der einen Seite wirft man in der Stadt das Geld für unnötige, angeblich prestigeträchtige Großprojekte mit beiden Händen beim Fenster hinaus (Surfpark, LNG, Parkhaus, Zersiedelung…), um dann bei den Basisleistungen einer Kommune – Schneeräumung als leuchtend weißes Beispiel – in aller Vehemenz zu sparen.

Auf der Strecke bleiben wie immer die Schwächsten.

Kein Ruhmesblatt für die Hansestadt.