- Geschrieben von Udo Paschedag

Energiesparen? Fehlanzeige. Dafür Doppelmoral und fossiler Lock-in. Die Energiepolitik der Ampel ist widersinnig. Journalistische Aufklärung in den Medien? Fehlanzeige.
Eine Analyse von Udo Paschedag
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine Anfang 2022 steckt Deutschland in einer nie dagewesenen Energiekrise. Billiges russisches Erdgas und Erdöl fehlen uns und die Preise für Energie schießen durch die Decke – ein Ende der Preisspirale ist nicht absehbar. Statt auf breiter Front Anreize zu schaffen, Energie um bis zu 30 % im Vergleich zum Vorkriegsniveau zu sparen, um die ausgefallenen russischen Gasimporte zu ersetzen (so die Forderung von Prof. Ottmar Edenhofer vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung in news.de vom 30.10.2022), reagiert die Ampelkoalition darauf mit Subventionen auf Gas und Strom nach dem Gießkannenprinzip und mit LNG-Terminals zu Wasser und an Land. Diese sollen u.a. aus Staaten beliefert werden, die an Kriegsverbrechen beteiligt sind, wie z.B. die arabischen Emirate und Saudi-Arabien im Jemen, oder die Menschenrechte mit Füßen treten, wie z.B. Katar. Diese Doppelmoral ist beschämend. Mit dem Segen und Beifall von Bündnis 90/Die Grünen steuern wir in einen neuen fossilen Lock-In. Die Pariser Klimaschutzziele, zu denen sich auch Deutschland verpflichtet hat, sind auf diesem Weg unerreichbar. Die Zukunft künftiger Generationen auf diesem Planeten wird zum vorläufigen Erhalt des erreichten Wohlstandes massiv gefährdet. Die Ampelkoalition missachtet das von ihr selbst geschaffene Klimaschutzgesetz. Ihre Planungen, elf LNG-Terminals zu errichten mit einer Gesamtkapazität von ca. 73 Mrd. m3 pro Jahr, könnten den Import von etwa 50 % mehr Gas ermöglichen als vor dem Ukrainekrieg aus Russland bezogen wurde (46 Mrd. m3 pro Jahr). Bis 2035 übersteigt die Nachfrage unsere Gasimporte über Land aus unseren Nachbarländern um höchstens 15 % pro Jahr mit sinkender Tendenz ab 2030. Diese Lücke könnte allein über eine ambitionierte Einsparstrategie abgedeckt werden, ohne dass überhaupt ein LNG-Terminal - schwimmend oder an Land – benötigt würde. Selbst ohne Einsparungen wären allenfalls drei schwimmende LNG-Terminals notwendig, um die Lücke abzudecken. Nach 2035 würden auch diese nicht mehr benötigt. Selbst wenn die Importe aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich ausblieben und nur auf norwegische Importe zurückgegriffen werden könnte, wären die fest installierten LNG-Terminals an Land nicht notwendig, um die Lücke abzudecken – so die Studie des NewClimate Institute von Dezember 2022: „Pläne für deutsche Flüssigerdgas-Terminals sind massiv überdimensioniert“ (https://www.newclimate.org/resources/publications/plane-fur-deutsche-flussigerdgas-terminals-sind-massiv-uberdimensioniert).
Fossile Infrastruktur und Wasserstoff-Märchen
Es wird also eine neue völlig überdimensionierte fossile Infrastruktur in Deutschland aufgebaut, die weit in die 40’er Jahre betrieben wird und finanzielle Ressourcen des Staates bindet, die dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stärkung der Energieeffizienz nicht mehr zur Verfügung stehen. Energiewende und Klimaschutz werden zu Lasten nachfolgender Generationen auf die lange Bank geschoben.
Dagegen wird gebetsmühlenartig behauptet, dass die LNG-Terminals nur vorübergehend mit Erdgas betrieben würden aber langfristig „H2 – ready“ seien und mit Wasserstoff klimaneutral betrieben werden könnten. Und das wird ohne jede kritische Nachfrage oder Recherche in nahezu allen Medien immer wieder mit wachsender Begeisterung verbreitet und von der Politik nachgeplappert.
So auch z.B. in Stade, wo der Investor „Hanseatic Energy Hub“ lange diese Argumentation den Kritikern entgegengehalten und das Stader Tageblatt entsprechend Beifall geklatscht hat. Eine einfache Internetrecherche hätte eine andere, insbesondere kritische Berichterstattung erfordert aber das war offenbar gar nicht erst beabsichtigt. Bei einer solchen Recherche wäre man u.a. auf eine von RWE in Auftrag gegebene Studie von Prof. Kaltschmitt von der Technischen Universität Hamburg Harburg gestoßen, der die Nutzung eines LNG-Terminals mit Wasserstoff und/oder flüssigem Ammoniak wegen der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften nur nach vorherigen mehr (bei Wasserstoff) oder wenigeren (bei Ammoniak) technischen Anpassungen der Anlage für möglich hält (vgl. https://germaning.com/wp-content/uploads/2021/08/2021-08-26-PM-Zukunftspapier.pdf).
Eine ausführlichere jüngere Studie von Fraunhofer ISI von November 2022 „Conversion of LNG Terminals for Liquid Hydrogen or Ammonia“ kommt zu dem Ergebnis, dass eine Nutzung von LNG-Terminals mit Wasserstoff oder Ammoniak nur mit entsprechenden technischen Anpassungen unter Aufwendung von erheblichen Zusatzkosten in Höhe von 50 – 70 % der ursprünglichen Investitionskosten möglich ist, wenn diese technischen Anpassungen von vornherein bei der Planung des LNG-Terminals berücksichtigt werden (vgl. https://www.isi.fraunhofer.de/de/presse/2022/presseinfo-25-lng-terminals-wasserstoff-ammoniak.html). Ein nachträglicher Wechsel des Energieträgers ohne vorherige Anpassung der Anlage erforderte mithin deren Abriss und Neubau. Mit journalistischer Sorgfalt hätte nach diesen notwendigen Anpassungen nachgefragt werden müssen und dann z.B. bei dem Genehmigungsantrag für das Stader LNG-Terminal festgestellt werden können, dass dort ausschließlich von verflüssigtem Erdgas die Rede ist – weder von Wasserstoff noch von Wasserstoffderivaten. Fehlen aber diese technischen Anpassungen von vornherein, legt das den Schluss nahe, dass das Terminal auf Dauer mit Erdgas betrieben werden soll, das den Klimawandel weiter beschleunigt. Dabei wird im Genehmigungsantrag auch nicht ausgeschlossen, dass auch Fracking-Gas zur Anwendung kommt, dessen Gewinnung wegen der damit verbundenen Umweltgefahren in Deutschland verboten ist. Dass diese Umweltgefahren in anderen Ländern entstehen, wird beim Import von Fracking-Gas von Betreibern, Politik und Medien einfach in Kauf genommen – Hauptsache hier kann alles so weitergehen wie bisher.
Keine Lösung ohne Energiesparen
Hinzu kommt, dass selbst der Betrieb von Terminals mit Wasserstoff oder Wasserstoffderivaten wie z.B. Ammoniak und Methan nur dann klimaneutral ist, wenn diese Energieträger ausschließlich mit erneuerbaren Energien hergestellt und verarbeitet werden. Ammoniak aus Namibia z.B. erforderte dort den Bau von riesigen Windfarmen, was allenfalls jenseits von 2030 denkbar erscheint. In welchem Umfang solche Importe fossile Energieträger ersetzen könnten, steht in den Sternen. Für Methan müsste das zur Herstellung notwendige CO2 aus der Atmosphäre gewonnen werden. Der Preis pro kW/h dürfte den gegenwärtigen Preis um ein Vielfaches übersteigen bei gleichzeitiger Unsicherheit der künftigen Marktentwicklungsprognosen.
Die Mengen an klimaneutral erzeugten Energieträgern, die notwendig wären, um das russische Erdgas zu ersetzen, sind gar nicht erkennbar, so dass an der massiven Einsparung von Energie und Steigerung der Energieeffizienz insbesondere im Gebäudebereich kein Weg vorbeiführt. LNG-Terminals sind keine Wunderwaffe sondern ein Irrweg. Angesichts der in eine andere Richtung weisenden Maßnahmen der Ampelkoalition sind Zweifel angebracht, ob sich diese Einsicht noch durchsetzen kann. Die Wut und Verzweiflung von jungen Menschen, die sich bei „Fridays for Future“ und der „Letzten Generation“ engagieren, sind die Folge fehlerhaften staatlichen Handelns. Ihre Forderungen sind berechtigt und erfordern ein unverzügliches Umdenken und entsprechendes sofortiges Handeln des Staates und nicht ihre Kriminalisierung.