- Geschrieben von Walter Tauber

Offener Brief an eine industriell-romantisierende Ministerin
Ein Kommentar von Walter Tauber
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Kloeckner, CDU Quelle: BMEL/ Imo/ Photothek
Wogegen sie eintreten ist klar: “Wir werden nicht mit romantisierenden Bullerbü-Vorstellungen zu einer vormodernen Landwirtschaft zurückkehren” versichern sie an der Grünen Woche im Januar 2020. Und sie begründen das so: “Weil man sich ein Idyll sucht, weil der eigene Alltag vielleicht zu hektisch ist. Damit werden wir die Menschen nicht ernähren können.“ Schade nur, dass das so nicht stimmt. Weder ist der Übergang zu nachhaltiger Produktion ein privates Problem überlasteter Bauern. Noch ist die Behauptung richtig, industrielle Landwirtschaft könne die Welt ernähren.
Sie wählen a priori eine besonders enge Sichtweise. Nicht Bullerbü ist romantisierend, sondern der Glaube, das industrielle System könnte die Menschheit ernähren, ohne dabei unsere Umwelt zu zerstören. Es ist romantisch, um nicht zu sagen blind, weiterhin auf Bayer-Monsanto und Co. zu setzen. Und es ist waghalsig, zu glauben, wir könnten mit Methoden, die Tiere grausam quälen, Insekten und Vögel brutal ausrotten und Böden mit beängstigender Geschwindigkeit auslaugen, die stets wachsende Bevölkerung ernähren. Wie viele Arten müssen noch aussterben, bevor sie anfangen, auf Umwelt- und Tierfreunde zu hören statt auf Lobbyisten?
Fett geworden sind bisher nur die Hersteller von Agrargiften und Maschinen. Die Landwirte werden in ein Laufrad gepresst, zu immer mehr Investitionen gezwungen. Der Bauer wird als Trichter genutzt, durch den die von unser aller Steuergeld bezahlten Subventionen hindurchgepresst werden, um in die Taschen der Gift-Industrie und der Großproduzenten zu landen (darunter auch alte Adelsgeschlechter, die sich trotz Revolutionen und Reformen hartnäckig an ihre Privilegien festgeklammert haben).
Während Milliarden in zerstörerische Praktiken fliessen, wird Bio kaum gefördert. Experten wissen schon lange, dass immer mehr Gifte und Dünger nur die Umwelt zerstören. Vor einem Jahr erklärte die Welternährungsorganisation der Uno (FAO) 2019 zum „Jahr des Wandels“ (https://www.theguardian.com/news/2019/jan/28/can-we-ditch-intensive-farming-and-still-feed-the-world). Bewegt hat sich nichts. Bio-Produktion und Konsum dümpeln weiterhin um die 5 Prozent herum (Statistiken bei Foodwatch: https://www.foodwatch.org/de/informieren/bio-landwirtschaft/zahlen-daten-fakten/). Blind halten sie am überlieferten Modell fest, ohne Rücksicht auf neue Forschung oder neue Konzepte.
Es ist leicht, zu spotten über Bullerbü. Nicht würdig einer Ministerin. Sie vergessen dabei, dass Familien weltweit 90 Prozent aller Bauernhöfe betreiben und 80 Prozent aller Lebensmittel produzieren. „Die kleinen Bauern werden den Schlüssel zum Wandel sein,“ versichert Ronald Vargas von der FAO. In sie investieren „ist die dringendste und sicherste Methode, um Hunger und Unterernährung zu bekämpfen und gleichzeitig die Umweltschäden der Landwirtschaft so gering wie möglich zu halten.“ Interessiert sie das alles gar nicht?
Es gibt gewiss Möglichkeiten für Modernes, für die Innovationen, von denen doch jeder Amtsträger heutzutage schwärmt. Da gibt es den „senkrechten Anbau“ in Städten oder die computergesteuerte Bewässerung einzelner Bäume, ja sogar die Produktion von Mehl durch Bakterien-Kulturen (https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/jan/08/lab-grown-food-destroy-farming-save-planet?CMP=Share_iOSApp_Other). Die so hergestellten Pfannkuchen sollen ganz köstlich sein!
Sie könnten so leicht innovativ und modern und ökologisch kreativ sein. Warum hängen sie denn so sehr an der Agrarindustrie? Die stumpfsinnige Giftkeule von Bayer-Monsanto und Co schafft nur Zerstörung. Sie müssen umdenken, Frau Klöckner, ganz radikal umdenken. Es bringt nichts, die Schuld mal den Landwirten, mal den Konsumenten oder dem Großhandel in die Schuhe zu schieben. Das System ist erledigt. Seien sie mutig. Führen sie den Wandel ein. Befreien sie sich und uns von einer vergifteten Umwelt.
Wir alle brauchen Bullerbü!
Weitere Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Agrar%C3%B6kologie
https://www.foodwatch.org/de/informieren/bio-landwirtschaft/die-maer-vom-bio-boom/
https://permaculturenews.org/2014/09/26/un-small-farmers-agroecology-can-feed-world/
http://www.fao.org/family-farming/detail/en/c/273841
https://www.bund.net/ueber-uns/nachhaltigkeit/nachhaltigkeitsstrategie/un-ziele/